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Die neue Nähe - ein Telefon

Erinnern Sie sich noch an die Zeit ohne Telefon? Ich schon! Wollte man jemanden besuchen, ist man erst einmal eine Stunde mit Bus und Straßenbahn durch die Stadt gegondelt, nur um dann festzustellen, dass die gewünschte Person gar nicht da ist. So übernahm das Telefon zumindest am Anfang die Funktion der Organisation. Kurz und zackig konnte man abklären, ob jemand daheim ist oder nicht und sich für ein Treffen verabreden. Das sparte Zeit und Geld für Fahrkarten. Lange Gespräche führte man nicht am Telefon, das war viel zu unpersönlich….

Mit dem Handy wurde es dann schon etwas schwieriger, da die Person ja erreichbar, aber gleichzeitig dennoch nicht daheim sein konnte. Also nix mit anrufen und kurz verabreden, stattdessen sprach man direkt am Handy miteinander. (Vorausgesetzt, man hatte Empfang und war nicht gerade beim Autofahren) Die Grenzen verwischten immer mehr, zwischen dem Telefon als Kommunikations- bzw. Organisationinstrument. Dennoch, die persönliche Begegnung hat letztlich immer gewonnen, schließlich ist es  einfach ein Unterschied einer Person gegenüber zu sitzen, Gestik und Mimik zu studieren, die Stimme zu hören und zu deuten.

Und jetzt? Ist alles wieder anders. Wir sprechen mit Masken miteinander, die die Hälfte vom Gesicht verdecken. Nicht nur Schwerhörige haben nun mehr Mühe einander zu verstehen, Nachfragen erschweren eine lockere Kommunikation und durch die fehlende Mimik verliert das persönliche Gespräch an Bedeutung, ihm fehlt die ihm sonst eigene Einzigartigkeit und Lippenlesen ist sowieso gestorben.

Die Konsequenz: wir telefonieren wieder öfter. Also ich zum Beispiel. Erschien mir das Telefon für manche Situationen zu unpersönlich, erlebe ich es jetzt als erfrischend ehrlich. Man hört die Stimme klar und deutlich und kann dank Ohrstöpsel, sogar parallel einen Fernkaffee miteinander trinken... 

...und dann erzählt mir eine Bekannte, dass sie zum ersten Mal seit zig Jahren von ihrer Schwester zum Geburtstag angerufen wurde! Sensation! Über die Jahre davor wollte diese immer viel lieber persönlich vorbeikommen, nur hat sie das nie getan. Nie im Traum hätte sie vor Corona an das unpersönliche Medium Telefon gedacht um gute Wünsche zu übermitteln. Jetzt aber schon! Bleibt offen, was mit dem Telefon oder Handy passiert, wenn die Masken wieder fallen....

© Jana Mantel 

 

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